17.10. PD Dr. Ingo Elbe
Einführung in die Kritische Theorie
Abstract:
Max Horkheimer, Erich Fromm, Theodor W. Adorno und Herbert Marcuse arbeiteten seit den 1930er Jahren an einer kritischen Theorie der Gesellschaft. Diese Eingangsvorlesung soll, neben einem Einblick in die sozialpsychologischen und kulturkritischen Untersuchungen des Instituts für Sozialforschung, die Entwicklung der Frankfurter Theorieschule anhand ihrer Ideengeber Marx, Freud und Weber umreißen.
Facebook-Veranstaltung
Ankündigunstext:
Das Frankfurter Institut für Sozialforschung um Max Horkheimer, Erich Fromm, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse und andere entwickelte seit den 1930er Jahren das Programm einer interdisziplinären kritischen Gesellschaftstheorie und stellte sich den Erfahrungen des Scheiterns der sozialistischen Bewegungen, der Ausbreitung von Autoritarismus und Faschismus in Europa und schließlich der Shoah: Die gesellschaftlichen Bedingungen und psychologischen Mechanismen autoritärer und antisemitischer Ideologien wurden ebenso analysiert wie die Strukturen der Kulturindustrie. Diese sozialpsychologischen und kulturkritischen Untersuchungen sollten zunächst mittels eines unorthodox interpretierten Marxismus zu einer „Theorie des gegenwärtigen Zeitalters“ beitragen.
Der Vortrag soll eine Einführung in theoretische Quellen, Grundgedanken und Entwicklung dieser Theorieschule liefern.
Literatur: Schiller, Hans-Ernst (2010): „Was ist Kritische Theorie“. 2010.
24.10. Dr. Jan Gerber
Gedichte nach Auschwitz – die Kritische Theorie und der Holocaust
Abstract:
Ausgehend von Überlegungen zu Adornos Reflexion, es sei barbarisch nach Auschwitz Gedichte zu schreiben, geht der Vortrag der Frage nach, in welcher Form die Kritische Theorie den Holocaust reflektierte und welchen Veränderungen ihr Nachdenken über Auschwitz zwischen Kriegsende und den 1960er Jahren unterworfen war.
Ankündigunstext:
„Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch...“ Es gibt wohl keine Aussage eines Vertreters der Kritischen Theorie, die mehr Empörung nach sich gezogen hat, als dieses 1949 niedergeschriebene Verdikt Theodor W. Adornos. Der Satz wurde bespöttelt oder als Anmaßung zurückgewiesen. Zugleich wurde ebenso regelmäßig wie wahrheitswidrig behauptet, dass er von Adorno wieder zurückgenommen worden sei. Vor allem aber fällt auf, dass die Bemerkung in der Regel missverstanden wurde. Denn anders als vielfach angenommen, bezog sich Adornos Satz weniger auf Lyrik als auf den Holocaust: Das Verbrechen, so die Aussage, war so monströs, dass davon auch die Idee des Guten, Wahren, Schönen, für die die Kunst im heroischen Zeitalter des Bürgertums einmal gestanden hatte, angefressen wird. Adornos Satz steht damit geradezu beispielgebend für die Bedeutung, die dem Holocaust vonseiten der Kritischen Theorie zugewiesen wurde.
Ausgehend von diesen Überlegungen soll im Rahmen des Vortrags der Frage nachgegangen werden, in welcher Form die Kritische Theorie auf den Holocaust reflektierte. Zu diesem Zweck wird der diesbezügliche Erkenntnisprozess des Kreises um Adorno und Horkheimer nachgezeichnet. Besonderer Wert wird dabei auf die Veränderungen gelegt, denen das Nachdenken über Auschwitz in der Zeit zwischen dem Eintreffen der ersten Nachrichten über die Vernichtung der europäischen Juden im Exil und den späten sechziger Jahren unterworfen war, als Adorno sein Hauptwerk „Negative Dialektik“ beendete. Damit werden zugleich die historischen Rahmenbedingungen der Erkenntnis über den Holocaust herausgestellt. Denn auch für das Denken nach Auschwitz gilt: Jede Erkenntnis hat ihre Zeit.
Literatur:
Theodor W. Adorno: Kulturkritik und Gesellschaft. In: Gesammelte Schriften, Band 10.1: Kulturkritik und Gesellschaft I, „Prismen. Ohne Leitbild“, Frankfurt am Main 1977. (hier ist nicht der gesamte Aufsatz nötig, nur die Seiten um den berühmten Gedichtsatz auf S. 30)
Theodor W. Adorno: Metaphysik. Begriff und Probleme, Frankfurt am Main 1998, S. 157–164.
Theodor W. Adorno: Negative Dialektik, Frankfurt am Main 1973, S. 354-365.
31.10. Prof. Dr. Ulrich Wyrwa
Zur geschichtsphilosophischen Arbeit von Paul Massing
Abstract:
Der vernachlässigte Historiker und Mitarbeiter am Institut für Sozialforschung Paul W. Massing veröffentlichte 1949 in der Reihe „Studies in Prejudice“ sein Buch „Rehearsal for Destruction“. Der Vortrag führt in Massings Werk ein und nimmt dieses zum Ausgang, um die geschichtsphilosophischen Dimensionen des Projekts zur Erforschung des Antisemitismus des Instituts zu diskutieren.
Ankündigungstext:
Über die breite soziologische Rezeption der Kritischen Theorie wird vielfach vergessen, dass diese zugleich auf einem Begriff von Geschichte aufbaute. Entsprechend nahmen geschichtswissenschaftliche Aspekte in dem Exposé des Forschungsprojektes über den Antisemitismus einen breiten Raum ein. Eine der darin vorgesehenen historischen Studien bezog sich auf die Vorgeschichte des Nationalsozialismus, zu der dann Paul W. Massing seine geschichtswissenschaftliche Abhandlung über die Entstehung des politischen Antisemitismus im deutschen Kaiserreich lieferte. Das 1949 in der Reihe Studies in Prejudice veröffentlichte Buch Rehearsal for Destruction ist 1959 auch auf Deutsch erschienen. Der Titel wird in der der Antisemitismusforschung zwar immer wider genannt und taucht in Anmerkungsapparaten und Fußnoten vielfach auf. Und doch, so wird in dem Vortrag gezeigt, ist sein Werk eher unterbewertet.
Nach kurzen Hinweisen auf den komplexen und problematischen Lebensweg Massings, vom kommunistischen KZ-Häftling und sowjetischen Spion zum Mitarbeiter des Instituts für Sozialforschung und Professor für Soziologie an der Rutgers University, werden zunächst die Forschungsprojekte des Instituts für Sozialforschung, an denen Massing beteiligt war, skizziert.
Abschließend werden die geschichtswissenschaftlichen Dimensionen des Antisemitismusprojekts des Instituts für Sozialforschung diskutiert und es wird die These vertreten, dass Massing als ein unterschätzter und vernachlässigter Historiker des Antisemitismus bezeichnet werden muss.
Über die breite soziologische Rezeption der Kritischen Theorie wird vielfach vergessen, dass diese zugleich auf einem Begriff von Geschichte aufbaute. Entsprechend nahmen geschichtswissenschaftliche Aspekte in dem Exposé des Forschungsprojektes über den Antisemitismus einen breiten Raum ein. Eine der darin vorgesehenen historischen Studien bezog sich auf die Vorgeschichte des Nationalsozialismus, zu der dann Paul W. Massing seine geschichtswissenschaftliche Abhandlung über die Entstehung des politischen Antisemitismus im deutschen Kaiserreich lieferte. Das 1949 in der Reihe Studies in Prejudice veröffentlichte Buch Rehearsal for Destruction ist 1959 auch auf Deutsch erschienen. Der Titel wird in der der Antisemitismusforschung zwar immer wider genannt und taucht in Anmerkungsapparaten und Fußnoten vielfach auf. Und doch, so wird in dem Vortrag gezeigt, ist sein Werk eher unterbewertet.
Nach kurzen Hinweisen auf den komplexen und problematischen Lebensweg Massings, vom kommunistischen KZ-Häftling und sowjetischen Spion zum Mitarbeiter des Instituts für Sozialforschung und Professor für Soziologie an der Rutgers University, werden zunächst die Forschungsprojekte des Instituts für Sozialforschung, an denen Massing beteiligt war, skizziert.
Abschließend werden die geschichtswissenschaftlichen Dimensionen des Antisemitismusprojekts des Instituts für Sozialforschung diskutiert und es wird die These vertreten, dass Massing als ein unterschätzter und vernachlässigter Historiker des Antisemitismus bezeichnet werden muss.
7.11. Prof. Dr. Gerhard Stapelfeldt
Einführung in die Dialektik
Abstract:
Stapelfeldts Einführung in die Dialektik begreift diese als Kritik der herrschenden Verhältnisse, insbesondere der Ideologie eines für Vermittlung blinden Zugangs zu gesellschaftlichen Tatsachen, die in Apologie des Bestehenden mündet. Die Idee der Dialektik wird am Denken Platons, Marx' und der Kritischen Theorie entwickelt.
Ankündigungstext:
Hegel hat, in einem Gespräch mit Goethe, die Dialektik als „geregelten, methodisch ausgebildeten Widerspruchsgeist“ bestimmt. Dialektik ist das Verfahren der Rede und Gegenrede, der Widerspruch gegen widerspruchsvolle gesellschaftliche Verhältnisse, der Widerspruch gegen ein widerspruchsvolles individuelles und kollektives Selbstverständnis. Dialektik ist keine vom Inhalt abgelöste, auf jeden Inhalt anwendbare Methode, sondern eine Kritik gesellschaftlicher Krisen in der Absicht, die herrschenden Widersprüche durch den dialektischen Widerspruch bewußt zu machen und durch den Widerstand gegen das Widersprechende abzuschaffen. So ist Dialektik die aufklärende, bewußtmachende Kritik einer kollektiven Selbst-Täuschung, einer herrschenden Ideologie, und durch diese Ideologiekritik eine Kritik der herrschenden Verhältnisse. Ein unmittelbares Wissen gesellschaftlicher Tatsachen verfällt der dialektischen Kritik: sonst bestünde der Widerspruchsgeist in der Apologie des Bestehenden. Das praktische Interesse der Dialektik ist die Verwirklichung einer Gesellschaft, in der die Menschen sich ihrer selbst und ihrer Verhältnisse bewußt sind.
Die Vorlesung enthält drei Teile. Zunächst wird die Idee der Dialektik an den klassischen Bestimmungen in Platons Politeia dargelegt. Sodann wird das Dialektische der Kritik der liberalen Politik-Ökonomie bei Marx skizziert. Endlich wird die Aufnahme der Dialektik durch die Kritische Theorie Horkheimers und Adornos, die ausdrücklich an Marx anschließt, angedeutet.
Gerhard Stapelfeldt lehrte bis zu seiner Emeritierung 2009 am Institut für Soziologie der Universität Hamburg. Seitdem arbeitet er als freier Schriftsteller in Hamburg.
Literatur:
Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben (1944/47). Frankfurt (Bibliothek Suhrkamp) 1971: Aphorismus 45 (‚Wie scheint doch alles Werdende so krank’); Aphorismus 44 (‚Für Nach-Sokratiker’). Platon: Politeia. In: Werke Bd. III. Hamburg (Rowohlt Taschebuch Verlag) 1958, Seite67-310. Zur Lektüre: 508a bis 511e; 531d bis 535a Gerhard Stapelfeldt: Was ist Dialektik?. In: Der Geist des Widerspruchs. Studien zur Dialektik. Erster Band. Freiburg (Ca-Ira-Verlag) 2012: 9-229, vor allem: 11-25.
Hegel hat, in einem Gespräch mit Goethe, die Dialektik als „geregelten, methodisch ausgebildeten Widerspruchsgeist“ bestimmt. Dialektik ist das Verfahren der Rede und Gegenrede, der Widerspruch gegen widerspruchsvolle gesellschaftliche Verhältnisse, der Widerspruch gegen ein widerspruchsvolles individuelles und kollektives Selbstverständnis. Dialektik ist keine vom Inhalt abgelöste, auf jeden Inhalt anwendbare Methode, sondern eine Kritik gesellschaftlicher Krisen in der Absicht, die herrschenden Widersprüche durch den dialektischen Widerspruch bewußt zu machen und durch den Widerstand gegen das Widersprechende abzuschaffen. So ist Dialektik die aufklärende, bewußtmachende Kritik einer kollektiven Selbst-Täuschung, einer herrschenden Ideologie, und durch diese Ideologiekritik eine Kritik der herrschenden Verhältnisse. Ein unmittelbares Wissen gesellschaftlicher Tatsachen verfällt der dialektischen Kritik: sonst bestünde der Widerspruchsgeist in der Apologie des Bestehenden. Das praktische Interesse der Dialektik ist die Verwirklichung einer Gesellschaft, in der die Menschen sich ihrer selbst und ihrer Verhältnisse bewußt sind.
Die Vorlesung enthält drei Teile. Zunächst wird die Idee der Dialektik an den klassischen Bestimmungen in Platons Politeia dargelegt. Sodann wird das Dialektische der Kritik der liberalen Politik-Ökonomie bei Marx skizziert. Endlich wird die Aufnahme der Dialektik durch die Kritische Theorie Horkheimers und Adornos, die ausdrücklich an Marx anschließt, angedeutet.
Gerhard Stapelfeldt lehrte bis zu seiner Emeritierung 2009 am Institut für Soziologie der Universität Hamburg. Seitdem arbeitet er als freier Schriftsteller in Hamburg.
Literatur:
Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben (1944/47). Frankfurt (Bibliothek Suhrkamp) 1971: Aphorismus 45 (‚Wie scheint doch alles Werdende so krank’); Aphorismus 44 (‚Für Nach-Sokratiker’). Platon: Politeia. In: Werke Bd. III. Hamburg (Rowohlt Taschebuch Verlag) 1958, Seite67-310. Zur Lektüre: 508a bis 511e; 531d bis 535a Gerhard Stapelfeldt: Was ist Dialektik?. In: Der Geist des Widerspruchs. Studien zur Dialektik. Erster Band. Freiburg (Ca-Ira-Verlag) 2012: 9-229, vor allem: 11-25.
14.11. Dr. Ulrike Marz
Antisemitismusanalyse und Gesellschaftskritik
Abstract:
Marz' Anliegen ist es, den Zusammenhang von warenproduzierender Gesellschaft und eines durch sie vermittelten Bewusstseins aufzuzeigen, das den Antisemitismus als eine Denkform moderner kapitalistischer Vergesellschaftung begründet. Weiter soll diskutiert werden, warum eine Gesellschaftskritik ohne eine Analyse und Kritik des Antisemitismus auch gegenwärtig nicht zu entwickeln ist.
Ankündigungstext:
Nicht nur der Antisemitismus ist angesichts verschiedener Erscheinungsformen von ungebrochener Aktualität, auch die Einsichten Kritischer Theorie zum Antisemitismus sind überraschend zeitgemäß. Kritische Theorie nutzt das Instrumentarium der Psychoanalyse um das projektive Moment am antisemitischen Reagieren zu erklären. Die Darstellung (sozial-)geschichtlicher Entwicklungen lässt das historisch gewachsene Bild vom »Juden« verstehen. Schließlich zeigt der Zusammenhang von warenproduzierender Gesellschaft und eines ihr entstammenden Bewusstseins, dass der Antisemitismus eine Denkform moderner kapitalistischer Vergesellschaftung ist. Eine Gesellschaftskritik ohne eine Analyse und Kritik des Antisemitismus ist nicht zu entwickeln. Anliegen dieses Vortrages ist es, die Erkenntnisse der Antisemitismusanalyse Kritischer Theorie zu vergegenwärtigen und angemessene Ergänzungen zu ihrer Aktualisierung zu diskutieren.
Nicht nur der Antisemitismus ist angesichts verschiedener Erscheinungsformen von ungebrochener Aktualität, auch die Einsichten Kritischer Theorie zum Antisemitismus sind überraschend zeitgemäß. Kritische Theorie nutzt das Instrumentarium der Psychoanalyse um das projektive Moment am antisemitischen Reagieren zu erklären. Die Darstellung (sozial-)geschichtlicher Entwicklungen lässt das historisch gewachsene Bild vom »Juden« verstehen. Schließlich zeigt der Zusammenhang von warenproduzierender Gesellschaft und eines ihr entstammenden Bewusstseins, dass der Antisemitismus eine Denkform moderner kapitalistischer Vergesellschaftung ist. Eine Gesellschaftskritik ohne eine Analyse und Kritik des Antisemitismus ist nicht zu entwickeln. Anliegen dieses Vortrages ist es, die Erkenntnisse der Antisemitismusanalyse Kritischer Theorie zu vergegenwärtigen und angemessene Ergänzungen zu ihrer Aktualisierung zu diskutieren.
21.11. Dr. Felix Riedel
Psychoanalyse des Antisemitismus
Abstract:
Im Vortrag wird aktueller, „sekundärer” Antisemitismus, der sich im Hass auf Israel äußert, mit psychoanalytischen Konzepten wie Projektion und Rationalisierung konfrontiert. Die westlichen intellektuellen Apologeten der antisemitischen Gewalt sind Riedel ebenso Gegenstand der Kritik wie die harmoniesüchtige, bürgerliche Mitte der Gesellschaft.
Ankündigungstext:
Der globale Antisemitismus expandiert trotz aller Antisemitismusforschung. Gesellschaftliche Praxis scheitert vor allem an der Verkennung des Wandels vom nazistischen Antisemitismus, dem Hass auf Juden, zum Antizionismus, dem Hass auf den jüdischen Staat. Der traditionelle Antisemitismus musste nach dem Nationalsozialismus seine Bilder nur geringfügig verändern, um den oberflächlichen Tabuierungen zu entgehen. Der so entstandene „sekundäre Antisemitismus“ erlaubt die Projektion des eigenen aggressiven, sadistischen Innenlebens bei fast unverminderter Intensität des Hasses. Er synthetisiert die religiösen Ressentiments mit säkularen und schafft dadurch eine neue globale Universalität der Antisemiten, die nicht einmal der alte Rassenantisemitismus in Anspruch nehmen durfte.
Die Rationalisierung der Aggression bedarf der permanenten Geschichtsfälschung – sie legitimiert den Notstand der Gefühle und erlaubt die Projektion von Täteranteilen. In ihr wird vorhandene Erfahrung von Juden wie auch die antisemitische Gewalt departementalisiert. Das gesellschaftliche antisemitische Verhältnis produziert jüdische Opfer durch Aufspaltung und Deligierung der Gewalt - sie wird von Anderen, den „Palästinensern“, durchgeführt, deren Zeugnisse auch für die gefälschte Erfahrung, das Vorurteil gegen die Juden, bürgen. So muss der an den palästinensischen Djihadismus outgesourcte narzisstische Todeskult auf globaler Ebene gar nicht mehr zwangsläufig in Konflikt mit dem kulturindustriellen Harmonismus geraten. Diese Strategie verschleiert sich den westlichen Tätern, (z.B. Judith Butler, Jostein Gaarder) die sich ihres Antisemitismus selten bewusst sind und an der Oberfläche sich als Gegner des Antisemitismus fühlen. Die für die Täter weitgehend leidensfreie Pathologie kann nur dialektisch erklärt werden durch ihr Komplement: Die Passivität der vorgeblichen Nichtantisemiten, die aus „bürgerlichem Egoismus“ (Horkheimer) konfliktscheu unbequeme Wahrheiten dem Harmonismus opfern und so antisemitische Mythologie reproduzieren.
Der globale Antisemitismus expandiert trotz aller Antisemitismusforschung. Gesellschaftliche Praxis scheitert vor allem an der Verkennung des Wandels vom nazistischen Antisemitismus, dem Hass auf Juden, zum Antizionismus, dem Hass auf den jüdischen Staat. Der traditionelle Antisemitismus musste nach dem Nationalsozialismus seine Bilder nur geringfügig verändern, um den oberflächlichen Tabuierungen zu entgehen. Der so entstandene „sekundäre Antisemitismus“ erlaubt die Projektion des eigenen aggressiven, sadistischen Innenlebens bei fast unverminderter Intensität des Hasses. Er synthetisiert die religiösen Ressentiments mit säkularen und schafft dadurch eine neue globale Universalität der Antisemiten, die nicht einmal der alte Rassenantisemitismus in Anspruch nehmen durfte.
Die Rationalisierung der Aggression bedarf der permanenten Geschichtsfälschung – sie legitimiert den Notstand der Gefühle und erlaubt die Projektion von Täteranteilen. In ihr wird vorhandene Erfahrung von Juden wie auch die antisemitische Gewalt departementalisiert. Das gesellschaftliche antisemitische Verhältnis produziert jüdische Opfer durch Aufspaltung und Deligierung der Gewalt - sie wird von Anderen, den „Palästinensern“, durchgeführt, deren Zeugnisse auch für die gefälschte Erfahrung, das Vorurteil gegen die Juden, bürgen. So muss der an den palästinensischen Djihadismus outgesourcte narzisstische Todeskult auf globaler Ebene gar nicht mehr zwangsläufig in Konflikt mit dem kulturindustriellen Harmonismus geraten. Diese Strategie verschleiert sich den westlichen Tätern, (z.B. Judith Butler, Jostein Gaarder) die sich ihres Antisemitismus selten bewusst sind und an der Oberfläche sich als Gegner des Antisemitismus fühlen. Die für die Täter weitgehend leidensfreie Pathologie kann nur dialektisch erklärt werden durch ihr Komplement: Die Passivität der vorgeblichen Nichtantisemiten, die aus „bürgerlichem Egoismus“ (Horkheimer) konfliktscheu unbequeme Wahrheiten dem Harmonismus opfern und so antisemitische Mythologie reproduzieren.
28.11. Prof. Dr. Jan Weyand
Zum aktuellen Erklärungspotential der Studien zum autoritären Charakter
Abstract:
Weyand fragt in seinem Vortrag danach, inwiefern die Theorie des autoritären Charakters, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden ist, auf sogenannte populistische Bewegungen der Gegenwart anwendbar ist. Die Empfänglichkeit von Individuen für politische Propaganda wird hierbei mit den Ergebnissen aus den Studien zum autoritären Charakter erklärt.
Literatur:
Th. W. Adorno. Die Freudsche Theorie und die
Struktur der faschistischen Propaganda. Psyche, 1970, 24(7),
486-509
05.12. Alex Gruber
Dekonstruktion und Antisemitismus
Abstract:
Angesichts antisemitischer Auslassungen führender Vertreter des Poststrukturalismus wird Gruber der Frage nachgehen, ob sich ein immanenter Zusammenhang aufzeigen lässt zwischen einem Denken, das die Natur zum auszutreibenden Faktor erklärt hat, und dem Hass auf Vermittlung und Versöhnung. Für dieses steht sowohl das jüdische Gesetz und sein Bilderverbot als auch die zionistische (Staats-)Idee.
Ankündigungstext:
Poststrukturalistische Theorien präsentieren sich selbst als Kritik bzw. – in ihrer Diktion – Dekonstruktion von Herrschafts- und Diskriminierungsverhältnissen. Dem entgegenstehend fällt aber auf, dass führende Vertreter dieser Denkbewegung explizite Antizionisten und Gegner des jüdischen Staates sind. So ist sich Alain Badiou nicht sicher, ob die „Nazi-Politik“ nicht vielleicht doch ein „Wahrheitsprozess“ gewesen ist. Moses dagegen stellt für ihn den Urheber herrschaftlicher Versagung dar, da er das universelle Ereignis qua Gesetz „der jüdischen Partikularität“ untergeordnet habe. Giorgio Amben spricht von jenen Mitgliedern von Hamas und Islamischem Jihad, die von Israel 1992 in das Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon abgeschoben wurden, als der „Avantgarde ihres Volkes“, deren Leistung darin bestehe, das Territorium Israels zu „perforieren“ und zu „durchlöchern“. Und Judith Butler bezeichnet Gaza nicht nur als Freiluftgefängnis, sondern scheut sich auch nicht, den Küstenstreifen mit den nationalsozialistischen KZs zu vergleichen, insofern dort „die Lebensumstände ganz nach dem Modell der Konzentration beengt und verarmt“ seien.
Angesichts solcher Auslassungen wird sich der Vortrag um die Frage drehen, ob diese in einem bloß äußerlichen Verhältnis zur Philosophie der angeführten Theoretiker stehen oder nicht. Lässt sich ein immanenter Zusammenhang aufzeigen zwischen einem Denken, das die Natur zum auszutreibenden Faktor erklärt hat, und dem Hass auf Vermittlung und Versöhnung, für die sowohl das jüdische Gesetz und sein Bilderverbot stehen als auch die zionistische (Staats-)Idee. Ist also eine Theorie, die im Namen der zur zentralen Kategorie hypostasierten Kontingenz von aller qualitativen Vermittelt- und Bestimmtheit abstrahiert, ein Teil der Lösung oder ein Teil des Problems?"
Poststrukturalistische Theorien präsentieren sich selbst als Kritik bzw. – in ihrer Diktion – Dekonstruktion von Herrschafts- und Diskriminierungsverhältnissen. Dem entgegenstehend fällt aber auf, dass führende Vertreter dieser Denkbewegung explizite Antizionisten und Gegner des jüdischen Staates sind. So ist sich Alain Badiou nicht sicher, ob die „Nazi-Politik“ nicht vielleicht doch ein „Wahrheitsprozess“ gewesen ist. Moses dagegen stellt für ihn den Urheber herrschaftlicher Versagung dar, da er das universelle Ereignis qua Gesetz „der jüdischen Partikularität“ untergeordnet habe. Giorgio Amben spricht von jenen Mitgliedern von Hamas und Islamischem Jihad, die von Israel 1992 in das Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon abgeschoben wurden, als der „Avantgarde ihres Volkes“, deren Leistung darin bestehe, das Territorium Israels zu „perforieren“ und zu „durchlöchern“. Und Judith Butler bezeichnet Gaza nicht nur als Freiluftgefängnis, sondern scheut sich auch nicht, den Küstenstreifen mit den nationalsozialistischen KZs zu vergleichen, insofern dort „die Lebensumstände ganz nach dem Modell der Konzentration beengt und verarmt“ seien.
Angesichts solcher Auslassungen wird sich der Vortrag um die Frage drehen, ob diese in einem bloß äußerlichen Verhältnis zur Philosophie der angeführten Theoretiker stehen oder nicht. Lässt sich ein immanenter Zusammenhang aufzeigen zwischen einem Denken, das die Natur zum auszutreibenden Faktor erklärt hat, und dem Hass auf Vermittlung und Versöhnung, für die sowohl das jüdische Gesetz und sein Bilderverbot stehen als auch die zionistische (Staats-)Idee. Ist also eine Theorie, die im Namen der zur zentralen Kategorie hypostasierten Kontingenz von aller qualitativen Vermittelt- und Bestimmtheit abstrahiert, ein Teil der Lösung oder ein Teil des Problems?"
Forschungsfelder
12.12. Dr. Matthias Heyl
Erziehung nach/über Auschwitz & Bildung nach/in Ravensbrück
Abstract:
Mit Adorno und Freud beantwortet Heyl die Frage: Welche Bedeutung haben die einschlägigen Beiträge der Kritischen Theorie zur gesellschaftlichen Analyse des Nationalsozialismus und seiner Nachgeschichte für die gegenwärtige Bildungsarbeit, die nationalsozialistische Massenverbrechen zum Gegenstand hat?
Welche Bedeutung haben die einschlägigen Beiträge der »Kritischen Theorie« zur gesellschaftlichen Analyse des Nationalsozialismus und seiner Nachgeschichte für die gegenwärtige Bildungsarbeit, die die nationalsozialistischen Massenverbrechen zum Gegenstand hat? Dient sie nur als »Stichwortgeberin«, oder hilft sie, das Riskante des Geschehenen ins Bewusstsein zu heben? Der Referent gibt sich in seinem Werkstatt-Vortrag, der im Vortrag selbst entsteht, so viel ist sicher: hemmungslos als »antiquierter Adornit« und mehr oder minder »orthodoxer Freudianer« zu erkennen.
Literatur:
Heyl, Matthias: Erziehung nach Auschwitz – Bildung nach Ravensbrück, in: Ahlheim, Klaus / Heyl, Matthias (Hrsg.): Adorno revisited. Erziehung nach Auschwitz und Erziehung zur Mündigkeit, Hannover 2010, 89-125.
Wüstefeld, Katharina: Erziehung nach oder über Auschwitz. Der argumentative Zugriff auf Theodor W. Adornos Radioansprache »Erziehung nach Auschwitz« innerhalb der pädagogischen Diskussion um eine Erziehung über Auschwitz, Diplomarbeit an der Universität Dresden, Fakultät Erziehungswissenschaften, Institut für Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Wohlfahrtswissenschaften, 2012, online veröffentlicht: http://www.qucosa.de/fileadmin/data/qucosa/documents/12406/Diplomarbeit.pdf
Literatur:
Heyl, Matthias: Erziehung nach Auschwitz – Bildung nach Ravensbrück, in: Ahlheim, Klaus / Heyl, Matthias (Hrsg.): Adorno revisited. Erziehung nach Auschwitz und Erziehung zur Mündigkeit, Hannover 2010, 89-125.
Wüstefeld, Katharina: Erziehung nach oder über Auschwitz. Der argumentative Zugriff auf Theodor W. Adornos Radioansprache »Erziehung nach Auschwitz« innerhalb der pädagogischen Diskussion um eine Erziehung über Auschwitz, Diplomarbeit an der Universität Dresden, Fakultät Erziehungswissenschaften, Institut für Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Wohlfahrtswissenschaften, 2012, online veröffentlicht: http://www.qucosa.de/fileadmin/data/qucosa/documents/12406/Diplomarbeit.pdf
09.01. PD Dr. Heiko Beyer
Kritische Theorie des Antiamerikanismus
Abstract:
Antiamerikanismus muss als intuitive Gesellschaftstheorie in den Dynamiken seiner Entstehung rekonstruiert, aber auch als „Index des Falschen“ (Adorno) ernst genommen werden. Der Vortrag bringt Konzepte der Psychoanalyse und der Kritik der Politischen Ökonomie in einer Kritischen Theorie über den Antiamerikanismus zusammen.
Ankündigungstext:
Dass die Amerikaerfahrungen Adornos, Horkheimers, Marcuses und anderer wichtiger Vertreter der Kritischen Theorie einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf deren Theoriebildung hatte, ist kein Geheimnis mehr. Umgekehrt lässt sich nun ebenso zeigen, dass eine adäquate Erklärung des Antiamerikanismus ohne zugrundeliegende kritische Theorie der Gesellschaft, unvollständig bleiben muss. Da der Antiamerikanismus selbst eine Art intuitiver Gesellschaftstheorie zur Verfügung stellt, muss die Rekonstruktion seiner Logik zum einen die Dynamiken verstehen, denen die antiamerikanische Wahrnehmung entspringt. Zum anderen muss die „Theorie“, die der Antiamerikanismus anbietet, als „Index des Falschen“ (Adorno) ernst genommen werden und die Erkenntnisse, die sich aus seiner Analyse ergeben, auf die eigene Gesellschaftstheorie rückwirken. Der Vortrag entfaltet diese Doppelbewegung indem er Konzepte der Psychoanalyse und der Kritik der politischen Ökonomie für eine Kritische Theorie über den Antiamerikanismus fruchtbar macht und Konsequenzen für die aktuelle Theoriedebatte aufzeigt.
Dass die Amerikaerfahrungen Adornos, Horkheimers, Marcuses und anderer wichtiger Vertreter der Kritischen Theorie einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf deren Theoriebildung hatte, ist kein Geheimnis mehr. Umgekehrt lässt sich nun ebenso zeigen, dass eine adäquate Erklärung des Antiamerikanismus ohne zugrundeliegende kritische Theorie der Gesellschaft, unvollständig bleiben muss. Da der Antiamerikanismus selbst eine Art intuitiver Gesellschaftstheorie zur Verfügung stellt, muss die Rekonstruktion seiner Logik zum einen die Dynamiken verstehen, denen die antiamerikanische Wahrnehmung entspringt. Zum anderen muss die „Theorie“, die der Antiamerikanismus anbietet, als „Index des Falschen“ (Adorno) ernst genommen werden und die Erkenntnisse, die sich aus seiner Analyse ergeben, auf die eigene Gesellschaftstheorie rückwirken. Der Vortrag entfaltet diese Doppelbewegung indem er Konzepte der Psychoanalyse und der Kritik der politischen Ökonomie für eine Kritische Theorie über den Antiamerikanismus fruchtbar macht und Konsequenzen für die aktuelle Theoriedebatte aufzeigt.
16.01. Prof. Dr. Alex Demirovic
Der Rassismus als ideologische Form
Abstract:
Der Vortrag behandelt verschiedene kritische Ansätze zum Verständnis von Rassismus als moderner ideologischer Form, die historisch bedingten Transformationen unterliegt. Schwerpunkte werden bei der Kritischen Theorie und Theorien des Neorassismus liegen.
Ankündigungstext:
Der Vortrag behandelt verschiedene kritische Ansätze zum Verständnis von Rassismus. Schwerpunkt wird bei der Kritischen Theorie und Theorien des Neorassismus liegen. Es wird die These vertreten, dass Rassismus keine Einstellung von Modernisierungsverlierern am Rande der Gesellschaft ist, ebenso wenig ist er eine Eigenschaft von bestimmten Personen, sondern eine moderne ideologische Form. Er zeichnet sich zudem dadurch aus, dass er sich historisch immer wieder ändert, also in verschiedenen Konjunkturen der sozialen Kräfteverhältnisse auch andere Praktiken der Stigmatisierung, Diskriminierung, Verfolgung beinhaltet.
Der Vortrag behandelt verschiedene kritische Ansätze zum Verständnis von Rassismus. Schwerpunkt wird bei der Kritischen Theorie und Theorien des Neorassismus liegen. Es wird die These vertreten, dass Rassismus keine Einstellung von Modernisierungsverlierern am Rande der Gesellschaft ist, ebenso wenig ist er eine Eigenschaft von bestimmten Personen, sondern eine moderne ideologische Form. Er zeichnet sich zudem dadurch aus, dass er sich historisch immer wieder ändert, also in verschiedenen Konjunkturen der sozialen Kräfteverhältnisse auch andere Praktiken der Stigmatisierung, Diskriminierung, Verfolgung beinhaltet.
19.01. Dr. Franz Maciejewski
Antiziganismus oder Das Gerücht über die Zigeuner
Abstract:
Zigeunerhass fischt im Trüben. Wer Ressentiments gegenüber Sinti und Roma hegt, kennt seine Feinde nur vom Hörensagen. Der Vortrag fragt nach dem psychischen Resonanzboden, der dem Antiziganismus zugrunde liegt, ohne dabei das Motiv des Hasses auf den Fortschritt außer Acht zu lassen.
Ankündigunstext:
Zigeunerhass fischt im Trüben. Der mit den gängigen Ressentiments gegenüber Sinti und Roma Aufgeladene kennt seine Feinde nur vom Hörensagen. Der Vorwurf, er möge sich gefälligst an die Realität halten, geht jedoch ins Leere. Denn der Resonanzboden, auf dem die über lange Zeiträume sedimentierten Vorurteile ihren Auftritt proben, ist die psychische Realität. Das Vage und Unverbürgte, das sich in den Angriffen offenbart, verdankt sich dem Geraune des Unbewussten. Das heißt: das Gerücht über die Zigeuner korrespondiert einem ebenso diffusen Unbehagen an der Kultur.
Die (über ebenso lange Zeiträume angestaute und in affektgeladene Stereotypen gegossene) Kulturfeindschaft ist das Erste. Der Hass auf den Fortschritt schreit (zuvorderst in Umbruchzeiten) nach Entlastung und findet in der Gestalt des Zigeuners diejenigen, die sich dem zivilisatorischen Druck (angeblich) entziehen. In die Sprache der Odyssee (einem der Grundtexte der Kritischen Theorie) übersetzt, spielen die Zigeuner die Rolle der Lotusesser: sie zeigen den von der Last der Zivilisation Bedrückten, wie man das Leben verraucht, verschläft und vergeigt (nach dem Dichterwort Lenaus).
Ein kulturelles Gefälle wird sichtbar, abschüssig in Richtung einer lockenden Natur. Es ist diejenige Stelle, welche den Unterschied zum Judenhass markiert. Antisemitismus stammt aus der gleichen Quelle, dem Unbehagen an der Kultur; aber der Hass, den Juden auf sich ziehen, ist von anderer Qualität. Die Wut der schlecht Zivilisierten spürt im Bild des Juden die Agenten des Fortschritts auf, die „Talking Heads“ der Avantgarde, die (auf geheimnisvolle Weise mit der Urgeschichte der Moderne verbunden) immer einen Schritt voraus sind – aber auch kein Glück jenseits des zivilisatorischen rat race zu verheißen vermögen. Die (um das böse Wort von Treitschke zu paraphrasieren) an unserem Unglück angeblich Schuldigen also.
Zigeunerhass fischt im Trüben. Der mit den gängigen Ressentiments gegenüber Sinti und Roma Aufgeladene kennt seine Feinde nur vom Hörensagen. Der Vorwurf, er möge sich gefälligst an die Realität halten, geht jedoch ins Leere. Denn der Resonanzboden, auf dem die über lange Zeiträume sedimentierten Vorurteile ihren Auftritt proben, ist die psychische Realität. Das Vage und Unverbürgte, das sich in den Angriffen offenbart, verdankt sich dem Geraune des Unbewussten. Das heißt: das Gerücht über die Zigeuner korrespondiert einem ebenso diffusen Unbehagen an der Kultur.
Die (über ebenso lange Zeiträume angestaute und in affektgeladene Stereotypen gegossene) Kulturfeindschaft ist das Erste. Der Hass auf den Fortschritt schreit (zuvorderst in Umbruchzeiten) nach Entlastung und findet in der Gestalt des Zigeuners diejenigen, die sich dem zivilisatorischen Druck (angeblich) entziehen. In die Sprache der Odyssee (einem der Grundtexte der Kritischen Theorie) übersetzt, spielen die Zigeuner die Rolle der Lotusesser: sie zeigen den von der Last der Zivilisation Bedrückten, wie man das Leben verraucht, verschläft und vergeigt (nach dem Dichterwort Lenaus).
Ein kulturelles Gefälle wird sichtbar, abschüssig in Richtung einer lockenden Natur. Es ist diejenige Stelle, welche den Unterschied zum Judenhass markiert. Antisemitismus stammt aus der gleichen Quelle, dem Unbehagen an der Kultur; aber der Hass, den Juden auf sich ziehen, ist von anderer Qualität. Die Wut der schlecht Zivilisierten spürt im Bild des Juden die Agenten des Fortschritts auf, die „Talking Heads“ der Avantgarde, die (auf geheimnisvolle Weise mit der Urgeschichte der Moderne verbunden) immer einen Schritt voraus sind – aber auch kein Glück jenseits des zivilisatorischen rat race zu verheißen vermögen. Die (um das böse Wort von Treitschke zu paraphrasieren) an unserem Unglück angeblich Schuldigen also.
23.01. Dr. Ljiljana Radonić
Gender und Antisemitismus – Weibliche Opfermythen und der (Post-)Feminismus
Abstract:
Gibt es einen feministischen Antisemitismus? Von Täter(innen)-Opfer-Umkehr bis Judith Butler geht Radonić in ihrem Vortrag der Frage nach, ob Antisemitismus bei Frauen und Männern die gleichen Bedürfnisse befriedigt, oder ob entsprechend der verschiedenen Geschlechterrollen unterschiedliche Inhalte projiziert werden.
Dr. Ljiljana Radonić ist Research Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften in Wien.
Ankündigunstext:
Jahrzehntelang hat die „neue Frauenbewegung“ ein positives Bild von „der Frau“ im NS gezeichnet, was nicht selten zu einer den Holocaust verharmlosenden Argumentation führt(e). Entgegen der Tatsache, dass Frauen als KZ-Aufseherinnen, Fürsorgerinnen oder Denunziantinnen an der antisemitischen Ausgrenzung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden begeistert mitwirkten, werden sie in feministischen Schriften oft als auf die Mutterrolle reduzierte „Gebärmaschinen“ dargestellt – ein feministischer Fall von Täter(innen)-Opfer-Umkehr. Handelt es sich um einen spezifisch feministischen Antisemitismus, wenn Matriarchatsforscherinnen dem Judentum und seinem historischen „Ausmordungsprogramm“ die Schuld an der Zerstörung des Matriarchats geben und es als besonders patriarchale Religion imaginieren? Der Bogen reicht bis Judit Butler, die nicht mehr vom „alten Israel“ spricht, sondern alles Schlechte im heutigen, rassistischen, vom Siedlerkolonialismus und Reinheitsvorstellungen geprägten, auf Vertreibung basierenden, illegitimen Staat Israel verortet, der aufgrund anhaltender „Deportationen“ und des „konzentrierenden Kolonialismus“ ebenfalls selbst schuld an der ihm drohenden Zerstörung sei. Schließlich lässt sich auf Basis einer kritischen Theorie des Antisemitismus die Frage stellen, ob Antisemitismus bei Frauen und Männern die gleichen Bedürfnisse befriedigt, oder ob entsprechend der verschiedenen Geschlechterrollen unterschiedliche Inhalte projiziert werden.
Jahrzehntelang hat die „neue Frauenbewegung“ ein positives Bild von „der Frau“ im NS gezeichnet, was nicht selten zu einer den Holocaust verharmlosenden Argumentation führt(e). Entgegen der Tatsache, dass Frauen als KZ-Aufseherinnen, Fürsorgerinnen oder Denunziantinnen an der antisemitischen Ausgrenzung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden begeistert mitwirkten, werden sie in feministischen Schriften oft als auf die Mutterrolle reduzierte „Gebärmaschinen“ dargestellt – ein feministischer Fall von Täter(innen)-Opfer-Umkehr. Handelt es sich um einen spezifisch feministischen Antisemitismus, wenn Matriarchatsforscherinnen dem Judentum und seinem historischen „Ausmordungsprogramm“ die Schuld an der Zerstörung des Matriarchats geben und es als besonders patriarchale Religion imaginieren? Der Bogen reicht bis Judit Butler, die nicht mehr vom „alten Israel“ spricht, sondern alles Schlechte im heutigen, rassistischen, vom Siedlerkolonialismus und Reinheitsvorstellungen geprägten, auf Vertreibung basierenden, illegitimen Staat Israel verortet, der aufgrund anhaltender „Deportationen“ und des „konzentrierenden Kolonialismus“ ebenfalls selbst schuld an der ihm drohenden Zerstörung sei. Schließlich lässt sich auf Basis einer kritischen Theorie des Antisemitismus die Frage stellen, ob Antisemitismus bei Frauen und Männern die gleichen Bedürfnisse befriedigt, oder ob entsprechend der verschiedenen Geschlechterrollen unterschiedliche Inhalte projiziert werden.
30.01. Dr. Gerhard Scheit
Im Zeitalter des neuen Behemoth: Antisemitismus und Staatskritik
Abstract:
Scheit verbindet klassische Kritische Theorie über den Antisemitismus mit einer Staatskritik, die auf den Hobbes'schen Begriffen von Behemoth und Leviathan, Souverän und Ausnahmezustand aufbaut.
Ankündigunstext:
Der in jeder Ware vorhandene Gegensatz von Gebrauchswert und Wert, der bedeutet, dass besondere konkrete Arbeit nur als abstrakt allgemeine Arbeit gilt, liegt zwar der Automatik der Verwertung zugrunde, weil nur durch ihn es überhaupt möglich ist, dass die Zeit, die zur Produktion der Ware notwendig ist, zum obersten Prinzip gesellschaftlicher Synthesis wird. Mit diesem Gegensatz ist jedoch zugleich die Möglichkeit gegeben, dass der Wert sich nicht mehr verwertet; die „okkulte Qualität“ (Marx) verliert, Wert zu setzen: sobald nämlich die Ware sich nicht länger automatisch in Geld zurückverwandelt, Produktions- und Konsumtionskraft der Gesellschaft vielmehr auseinanderfallen.
In diesem Zerfallsprozess löst sich in letzter Instanz auch die Einheit des Souveräns auf, der den Zusammenhang der Verwertung zu sichern eigentlich berufen ist: der Hobbessche Gott ist eben sterblich, an seine Stelle tritt der neue „Behemoth“: ein „Unstaat“ und ein „Chaos“ (Franz Neumann). Das Subjekt vermag dann Einheit scheinbar nur noch in einem Wahn zu finden, der unmittelbar auf solche Zerfallstendenzen – die immer, auch im Zustand funktionierender Verwertung spürbar bleiben – in allen seinen Aspekten reagiert und die Drohung der Krise personifiziert. Die vollendete Gestalt dieses Wahns ist die „pathische Projektion“ (Adorno/Horkheimer), die auf die Juden zielt. Ihnen wird unterstellt, dass sie zum Opfer, das der Souverän verlangt, um die Einheit herzustellen, nicht bereit seien.
Dieser Wahn kommt insofern bei Heidegger in seiner ganzen Symptomatik zum Ausdruck, als er die von ihm wie von allen Antisemiten phantasierte „Menschentümlichkeit“ der Juden, ihre „Vorbestimmung für das planetarische Verbrechertum“, nicht mit irgendwelchen physischen ‚Rassenmerkmalen‘ biologistisch umschreibt, sondern gleichsam metaphysisch als „Rechenhaftigkeit“ definiert: Den Juden als ‚Gegenvolk‘ wird, wenn das automatische Subjekt des Kapitals nicht mehr zu funktionieren droht, dessen Prinzip zugeschrieben, um den eigenen Anteil daran auszublenden: Der Gegensatz von Gebrauchswert und Wert, konkreter und abstrakter Arbeit, als die von den Juden betriebene „Entwurzelung alles Seienden aus dem Sein“. Carl Schmitt spricht im selben Sinn von der „Totalität des jüdischen Einbruchs“: Darum muss diese Feindschaft „vorherbestehend“ und „unabänderlich“ sein, egal wie der Feind sich auch verhalten mag: er wird vernichtet. Nur so ist es möglich, an die Erlösung in der Vernichtung zu glauben, wenn wenigstens dieser eine nicht austauschbar ist und zugleich die totale Austauschbarkeit verkörpert.
Die neue Form, die der Antisemitismus inzwischen angenommen hat, besteht nun darin, dass die „totale Feindschaft“ nicht mehr nur gegenüber den Juden, sondern ebenso gegenüber deren Staat beschworen wird. Darin sind sich heute etwa Hassan Nasrallah von der Hisbollah und Alain Badiou von der französischen Linken einig.
Der in jeder Ware vorhandene Gegensatz von Gebrauchswert und Wert, der bedeutet, dass besondere konkrete Arbeit nur als abstrakt allgemeine Arbeit gilt, liegt zwar der Automatik der Verwertung zugrunde, weil nur durch ihn es überhaupt möglich ist, dass die Zeit, die zur Produktion der Ware notwendig ist, zum obersten Prinzip gesellschaftlicher Synthesis wird. Mit diesem Gegensatz ist jedoch zugleich die Möglichkeit gegeben, dass der Wert sich nicht mehr verwertet; die „okkulte Qualität“ (Marx) verliert, Wert zu setzen: sobald nämlich die Ware sich nicht länger automatisch in Geld zurückverwandelt, Produktions- und Konsumtionskraft der Gesellschaft vielmehr auseinanderfallen.
In diesem Zerfallsprozess löst sich in letzter Instanz auch die Einheit des Souveräns auf, der den Zusammenhang der Verwertung zu sichern eigentlich berufen ist: der Hobbessche Gott ist eben sterblich, an seine Stelle tritt der neue „Behemoth“: ein „Unstaat“ und ein „Chaos“ (Franz Neumann). Das Subjekt vermag dann Einheit scheinbar nur noch in einem Wahn zu finden, der unmittelbar auf solche Zerfallstendenzen – die immer, auch im Zustand funktionierender Verwertung spürbar bleiben – in allen seinen Aspekten reagiert und die Drohung der Krise personifiziert. Die vollendete Gestalt dieses Wahns ist die „pathische Projektion“ (Adorno/Horkheimer), die auf die Juden zielt. Ihnen wird unterstellt, dass sie zum Opfer, das der Souverän verlangt, um die Einheit herzustellen, nicht bereit seien.
Dieser Wahn kommt insofern bei Heidegger in seiner ganzen Symptomatik zum Ausdruck, als er die von ihm wie von allen Antisemiten phantasierte „Menschentümlichkeit“ der Juden, ihre „Vorbestimmung für das planetarische Verbrechertum“, nicht mit irgendwelchen physischen ‚Rassenmerkmalen‘ biologistisch umschreibt, sondern gleichsam metaphysisch als „Rechenhaftigkeit“ definiert: Den Juden als ‚Gegenvolk‘ wird, wenn das automatische Subjekt des Kapitals nicht mehr zu funktionieren droht, dessen Prinzip zugeschrieben, um den eigenen Anteil daran auszublenden: Der Gegensatz von Gebrauchswert und Wert, konkreter und abstrakter Arbeit, als die von den Juden betriebene „Entwurzelung alles Seienden aus dem Sein“. Carl Schmitt spricht im selben Sinn von der „Totalität des jüdischen Einbruchs“: Darum muss diese Feindschaft „vorherbestehend“ und „unabänderlich“ sein, egal wie der Feind sich auch verhalten mag: er wird vernichtet. Nur so ist es möglich, an die Erlösung in der Vernichtung zu glauben, wenn wenigstens dieser eine nicht austauschbar ist und zugleich die totale Austauschbarkeit verkörpert.
Die neue Form, die der Antisemitismus inzwischen angenommen hat, besteht nun darin, dass die „totale Feindschaft“ nicht mehr nur gegenüber den Juden, sondern ebenso gegenüber deren Staat beschworen wird. Darin sind sich heute etwa Hassan Nasrallah von der Hisbollah und Alain Badiou von der französischen Linken einig.
06.02. Dr. Jan Lohl
„Zerstörung von Erinnerung“ – Antisemitismus nach Auschwitz
Durch Bezugnahme auf die Psychoanalyse sollen die im Vortrag vorgestellten Forschungsbeiträge eine Verschränkung von Erinnerungsabwehr und dem psychischen Nachleben der Bindungskräfte der NS- „Volksgemeinschaft“ verdeutlichen. Diese Verschränkung, die Lohl anhand von subjekt- und gesellschaftstheoretischen Überlegungen entfaltet, verleiht dem Antisemitismus im Post-Nazismus erst ihre spezifische Gestalt.
Ankündigunstext:
Mit Begriffen wie „Antisemitismus nach Auschwitz“ oder „sekundärer Antisemitismus“ wird darauf hingewiesen, dass Antisemitismus sich historisch wandelt und verändert – und doch der Alte bleibt. Die Vorlesung fragt nach den Wandlungen des Antisemitismus nach der Shoah und greift hierbei die theoretischen und empirischen Beiträge zur Antisemitismusforschung auf, die in den 1950er und 1960er Jahren am Frankfurter Institut für Sozialforschung entstanden sind. Diese Beiträge sind dadurch charakterisiert, dass sie qualitative und quantitative Sozialforschung mit Gesellschaftstheorie und Psychoanalyse verbinden. Gerade aufgrund der fruchtbaren Bezugnahme auf die Psychoanalyse verdeutlichen diese Beiträge eine Verschränkung von Erinnerungsabwehr und einem psychischen Nachleben der Bindungskräfte der nationalsozialistischen ›Volksgemeinschaft‹. Diese Verschränkung, die die Vorlesung anhand von empirischen Beispielen, subjekt- und gesellschaftstheoretisch entfaltet, verleiht dem Antisemitismus nach Auschwitz erst ihre spezifische Gestalt.
Abschließend diskutiert der Vortrag die Bedeutung der transgenerationalen Bedingungen des Antisemitismus heute und fragt nach dem möglichen Beitrag der Psychoanalyse für die aktuelle Antisemitismusforschung.
Literatur:
Adorno, T.W. (1959): Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit. In: Adorno, T.W. (1977): Gesammelte Schriften Bd. 10.2 (Lizenzausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft v. 1998), S. 555-573.
Lohl, J. (2016): ›Deutsche fordern: Juden raus‹. Antisemitismus nach Auschwitz im Alltagsdiskurs der 1950er Jahre. In: Busch, C.; Gehrlein, M.; Uhlig, T.D. (Hg.) (2016): Schiefheilungen. Zeitgenössische Betrachtungen über Antisemitismus. Wiesbaden: Springer VS, S. 131-154.
Mit Begriffen wie „Antisemitismus nach Auschwitz“ oder „sekundärer Antisemitismus“ wird darauf hingewiesen, dass Antisemitismus sich historisch wandelt und verändert – und doch der Alte bleibt. Die Vorlesung fragt nach den Wandlungen des Antisemitismus nach der Shoah und greift hierbei die theoretischen und empirischen Beiträge zur Antisemitismusforschung auf, die in den 1950er und 1960er Jahren am Frankfurter Institut für Sozialforschung entstanden sind. Diese Beiträge sind dadurch charakterisiert, dass sie qualitative und quantitative Sozialforschung mit Gesellschaftstheorie und Psychoanalyse verbinden. Gerade aufgrund der fruchtbaren Bezugnahme auf die Psychoanalyse verdeutlichen diese Beiträge eine Verschränkung von Erinnerungsabwehr und einem psychischen Nachleben der Bindungskräfte der nationalsozialistischen ›Volksgemeinschaft‹. Diese Verschränkung, die die Vorlesung anhand von empirischen Beispielen, subjekt- und gesellschaftstheoretisch entfaltet, verleiht dem Antisemitismus nach Auschwitz erst ihre spezifische Gestalt.
Abschließend diskutiert der Vortrag die Bedeutung der transgenerationalen Bedingungen des Antisemitismus heute und fragt nach dem möglichen Beitrag der Psychoanalyse für die aktuelle Antisemitismusforschung.
Literatur:
Adorno, T.W. (1959): Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit. In: Adorno, T.W. (1977): Gesammelte Schriften Bd. 10.2 (Lizenzausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft v. 1998), S. 555-573.
Lohl, J. (2016): ›Deutsche fordern: Juden raus‹. Antisemitismus nach Auschwitz im Alltagsdiskurs der 1950er Jahre. In: Busch, C.; Gehrlein, M.; Uhlig, T.D. (Hg.) (2016): Schiefheilungen. Zeitgenössische Betrachtungen über Antisemitismus. Wiesbaden: Springer VS, S. 131-154.
Abschlusssitzung
13.02. Prof. Dr. Eva-Maria Ziege
Über die Anschlussfähigkeit der Kritischen Theorie für die aktuelle Antisemitismusforschung
Kurzankündigung folgt.
Ankündigunstext:
Antisemitismus ist heute vor allem Gegenstand historischer Forschung, während die theoretische Entwicklung in den Sozialwissenschaften wiederholt als stagnierend beschrieben wurde. Die Analysen des Frankfurter Instituts für Sozialforschung aus den vierziger und fünfziger Jahren gehen mit ihrem theoriegeleiteten, spekulativen, manchmal geradezu tollkühn essayistischenVerfahren auch heute noch über die heutige Einzelforschung hinaus – weshalb letztere auch immer wieder aufs Neue bestrebt ist, diesen Ansatz anschlussfähig zu machen. Aber wie kann er anschlussfähig gemacht werden? Der gesellschaftstheoretische Kern der kritischen Theorie ist an Marx und Freud geschult und begreift sich selbst als geschichtlich. Das bedeutet nicht nur, dass es mit ihr selbst unvereinbar wäre, ohne Veränderungen am einmal Gesagten festzuhalten, weil Wahrheit einen „Zeitkern“ hat - aus diesem Grund haben Horkheimer und Adorno ihre Sicht des Antisemitismus vom Ende der 30er bis zum Ende der 40er Jahre angesichts der großen historischen Einschnitte ihrer Zeit zwei Mal erheblich verändert. Man hat es auch mit dem Paradox zu tun, dass weder Marx noch Freud die Prämissen der heutigen Sozialforschung leiten, abgesehen von der Psychoanalyse und einigen marxistischen Nischen..
Antisemitismus ist heute vor allem Gegenstand historischer Forschung, während die theoretische Entwicklung in den Sozialwissenschaften wiederholt als stagnierend beschrieben wurde. Die Analysen des Frankfurter Instituts für Sozialforschung aus den vierziger und fünfziger Jahren gehen mit ihrem theoriegeleiteten, spekulativen, manchmal geradezu tollkühn essayistischenVerfahren auch heute noch über die heutige Einzelforschung hinaus – weshalb letztere auch immer wieder aufs Neue bestrebt ist, diesen Ansatz anschlussfähig zu machen. Aber wie kann er anschlussfähig gemacht werden? Der gesellschaftstheoretische Kern der kritischen Theorie ist an Marx und Freud geschult und begreift sich selbst als geschichtlich. Das bedeutet nicht nur, dass es mit ihr selbst unvereinbar wäre, ohne Veränderungen am einmal Gesagten festzuhalten, weil Wahrheit einen „Zeitkern“ hat - aus diesem Grund haben Horkheimer und Adorno ihre Sicht des Antisemitismus vom Ende der 30er bis zum Ende der 40er Jahre angesichts der großen historischen Einschnitte ihrer Zeit zwei Mal erheblich verändert. Man hat es auch mit dem Paradox zu tun, dass weder Marx noch Freud die Prämissen der heutigen Sozialforschung leiten, abgesehen von der Psychoanalyse und einigen marxistischen Nischen..
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen